DRK-Kreisgeschäftsführer gibt Erfahrungen weiter
Wie die Helfer nach dem Amoklauf in Winnenden und Wendlingen 2009 gehandelt haben und welche große Belastung der Einsatz auch für die Einsatzkräfte war, darüber referierte DRK-Kreisgeschäftsführer Johannes Stocker am Dienstag im evangelischen Kirchengemeindehaus in Empfingen.

Mit dem Vortrag "Elf Tage im März" gab Johannes Stocker Einblicke in seine Aufgaben als Einsatzleiter nach dem Amoklauf im März 2009 in Winnenden. Der heutige Kreisgeschäftsführer des DRK-Kreisverbands Freudenstadt stellte seinen früheren Arbeitsplatz beim DRK-Kreisverband Rems-Murr kurz vor und verschaffte einen Überblick über die Daten und Fakten.
Der Rems-Murr-Kreisverband sei damals ähnlich aufgebaut gewesen, wie der DRK-Kreisverband Freudenstadt. Erster liege näher am Raum Stuttgart, weshalb Verstärkung schneller vor Ort gewesen wäre.
Johannes Stocker machte jedoch zu Beginn gleich klar, dass er mit seinem Vortrag weder Angst hervorrufen wolle, noch Fotos vom Innenbereich der Schule zeigen werde. Sein Bestreben war es, zu zeigen, welche Herausforderungen von Seiten der Einsatzkräfte zu schultern waren.
"Wenn du in so einem Beruf arbeitest, musst du damit rechnen, dass du tragische Ereignisse erlebst. Das Jahr 2009 war allerdings sehr hart", wies er daraufhin, dass neben dem Amoklauf weitere schlimme Ereignisse, bei denen auch junge Menschen verunglückten, vorkamen. "Das geht dir an die Nieren", zeigt der Kreisgeschäftsführer auf. Er hatte seinen Vortrag "Elf Tage im März" genannt, weil elf Tage vom Geschehen bis zur Beerdigung vergangen waren.
Der 11. März habe für ihn und sein Team wie jeder andere Arbeitstag begonnen, bis ein Kollege mit der ernsten Nachricht auf sie zukam. 1200 Menschen waren zu dieser Zeit in den verschiedenen Schulen in Winnenden und damit in Gefahr.
Zwölf Notrufe zum Amoklauf gingen in der integrierten Leitstelle ein. Nach Erkennen der Lage wurde der Gesamtalarm des Rettungsdienstes ausgelöst. "Ich war 13 Jahre im Betrieb. Das war das erste Mal, dass der Gesamtalarm ausgelöst wurde", erinnerte sich Johannes Stocker. 170 DRKler seien innerhalb kürzester Zeit "auf den Füßen" gewesen.
Unter Lebensgefahr seien die ersten Rettungskräfte an die Schulen ausgerückt, denn zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, wo sich der Amokläufer befand. Da sich unmittelbar einige Polizisten in Fortbildungen und Übungen befanden, konnten diese schnell an den Tatort gelangen. "Über 1000 Polizeibeamte waren vor Ort, ohne MEK und SEK", beschrieb Johannes Stocker das Verkehrschaos.
Sieben Patienten mit Schussverletzungen, Frakturen und weiteren Verletzungen wurden vor Ort erst versorgt und in die Klinken gebracht. Für die Einsatzkräfte sei dieses Szenario unbeschreiblich gewesen. Profis wurden ihnen und den Angehörigen zur Seite gestellt.
Am ersten Tag seien rund 50 Personen von Notfallseelsorgern und Notfallnachsorgern betreut worden. "Die Bilder bekommst du nicht mehr aus dem Kopf", wies Johannes Stocker daraufhin, dass Kollegen nach dem tragischen Ereignis berentet wurden oder die Stelle wechselten.
Da es bisher keine Anlaufstelle gab, wurde ein Pilotprojekt ins Leben gerufen. Die Zusammenarbeit der Polizei und des Rettungsdienstes bei besonderer Lage werde seither mit einem einheitlichen System geschult.Großen Respekt sprach Johannes Stocker allen Helfern aus.
Auch bei ihm habe dieses tragische Ereignis tiefe Spuren hinterlassen. "So etwas möchte ich nicht mehr mitmachen", betonte er, dass ihm das private und berufliche Umfeld, aber auch der Glaube sehr geholfen hätten.
Für die Zukunft wünsche er sich von der Allgemeinheit und vor allem von den "Medienmachern" mehr Sensibilität.